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Fachredaktion 

Fachbeitrag, veröffentlicht in
MODELL-WERFT  04/2001 /  VTH-Verlag :

Segelyacht VICTORIA

 PB0587
© H. Harhaus

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Die Segelyacht VICTORIA

ein Baubericht / Baukastentest

Nur für den Urlaub sollte sie sein... nicht zu teuer, nicht zu groß und flott gebaut...

Im Angebot findet man mehr und mehr hochwertige Baukästen von tollen Segelschiffs-Modellen - aber in dem Segment, in dem ich suchte, war die Decke dünn; denn ein Reisekoffer sollte deswegen nicht zu Hause bleiben müssen.

So wurde die VICTORIA die Auserwählte.

Der Baukasten ist zwar keine brandheiße Neuheit, aber dennoch sieht man das Modell noch kaum auf unseren Seen - auch ein Vorteil, der für dieses Modell sprach. Das Modell wird von THUNDER-TIGER (Taiwan) hergestellt und findet sich im Programm von Multiplex. Dazu passend wird auch eine kleine, leichte RC-Anlage von MPX angeboten: die PANDA ELITE-2 in AM-Technologie, mit 2 Kanälen, im 27- oder 40 MHz-Band.

Die VICTORIA ist 779 mm lang, der Mast ist 1086 mm hoch, die Segelfläche beträgt 28.6 dm², das Modell wiegt 2.1 kg mit Ausrüstung.

Der Rumpf ist fertig; Rumpfschale und Deck sind ein Stück und, wie es scheint, aus Polystyrol geblasen. Sogar die Kanten für die achtere Plicht, die angedeuteten Decks-Details, die Befestigungspunkte und der Mast-Sockel sind fertig angeformt und auffallend sauber und präzise ausgeführt. Wie fertigungstechnisch üblich, ist die Rumpfspitze die dünnste Stelle und schon lichtdurchscheinend. Aber gerade hier kommt mir schonmal das Ufer heftig entgegen, wenn's beim Anlegen mit der Mannschaft nicht so klappt. Folglich habe ich die Bugspitze mit Epoxy-Harz ca. 1 cm dick ausgegossen und verstärkt. Das geht ganz einfach, wenn man den Rumpf so schräg-senkrecht aufhängt, daß der Bug exakt waagerecht ist.

Die Ruder- und die Kielflosse sind fertig, ebenso die Bleibombe. Für den Innenausbau ist ein Holzkasten vorbereitet, der RC-Anlage mit Akku, Ruderservo und Segelverstellservo aufnimmt.

Die Bauanleitung mit Teile-Liste ist wirklich sehr gut illustriert, es liegt eine deutschsprachige Übersetzung bei. Die Skizzen sind maßhaltig und stimmen. Der Ständer aus gestanztem Sperrholz kann einfach zusammengesteckt werden. Ja, es liegt sogar Klebstoff bei - ein wirklicher "Komplettbaukasten"!

Das Rigg ist recht einfach konstruiert. Der Mast wird aus zwei Alu-Rohren zusammengesteckt und verklebt, Fockbaum und Großbaum sind fertig abgelängt und sofort takelbar. Die Takelbeschläge sind aus schwarzem, zähen Kunststoff gespritzt und sehr paßgenau. Das Segel ist fertig geschnitten. Leider war es etwas verknittert durch die Lagerung im Karton. Auch mit Recken und mit Warmluft haben wir die Knitter nicht ganz "ausbügeln" können (vielleicht weiß ja jemand eine probate Methode, Kunststoff-Folien-Segel zu glätten). Zur optischen Verschönerung liegen Selbstklebefolien mit Dekor-Druck bei. Soweit bot der Baukasteninhalt schonmal einen sehr guten Eindruck - also, ran ans Werk.

Bleibombe und Flosse werden verschraubt und verklebt; diese Einheit wird in einem Messingrohr, das im Rumpf eingebaut ist, montiert und bleibt so sehr einfach demontierbar. Das Holzkästchen für die Aufnahme des technischen Einbaus ist fertig vorgestanzt und kann mit wenigen Handgriffen verleimt werden. Vor dem Einbau gut und satt mit Einlaßgrund tränken und dann lackieren, damit ggf. eindringendes Wasser das Holz nicht quellen lassen kann. Das heißt, erste Künstlerpause - warten.

In dieser Zeit kann man schon den Mast zusammenbauen. Die Takelpunkte sind alle exakt in der Bauanleitung angegeben, auf den Millimeter genau. Es werden Mastkopf, drei Wantenspreizer und das Baumgelenk angeklebt. Zur Verbindung vom eloxierten Alu des Masts zu den Kunststoff-Fittings hat sich Sekundenkleber "Greven Typ SU" besser bewährt als z.B. Stabilit oder der im Baukasten beigefügte Taiwan-Kleber. Auf den Bäumen werden die Ringe, Ösen und Takelpunkte ebenso aufgeklebt.

Nun kann man den fertig lackierten RC-Kasten im Rumpf einbauen - es empfiehlt sich ein Epoxy-2-K-Kleber - der beiliegende ist ganz brauchbar. Gleichzeitig kann man die wenigen Details am Rumpf ankleben und so die Plicht etwas ausschmücken. Dann werden die Servos eingebaut und der Empfänger plaziert.

Soweit und bis jetzt war der Arbeitsaufwand noch angenehm gering, dank des hohen Vorfertigung-Grads. Aber jetzt sollte man sich über das "Outfit" Gedanken machen. Denn jetzt - ohne Takelung - ist das Modell noch richtig handlich. Tja, soll man den Rumpf einfach weiß lassen und nur die Klebebilder aufziehen? Oder verlangt das Auge doch noch etwas mehr - schließlich muß man sich ja damit auch mal am heimischen See zeigen (im Urlaub kennt einen ja keiner...)
Das müssen Sie mit Ihrem eigenen Ego ausfechten!

Ich habe mich - trotz "Nur-Urlaub-Schiff" - für eine Lackierung entschieden. (Schließlich wird dadurch ja auch der Kunststoff vor der UV-Strahlung geschützt und deshalb nicht so schnell spröde). Auf dem Reststück, das man aus dem Deck (Rumpföffnung) rausschneiden muß, lassen sich gut Kleb- und Farb-Tests durchführen. Erstaunlicherweise hielt der Enamel-Lack, der z.B. auf GfK toll ist, hier überhaupt nicht. Trotz vorheriges Anschleifen mit einem Schleifschwamm ließ sich der Lack wie Tesafilm wieder abziehen. Das war der Satz mit "x" - war wohl nix... Sehr gute Haftungseigenschaften hatte dagegen der Humbrol-Lack - es scheint, der löst den Kunststoff geringfügig an und "verschweißt" so mit dem Untergrund. Nur mit Schaben, Kratzen oder Schleifen war der Humbrol-Lack zu entfernen - so soll es sein. Durch die äußerst feine Pigmentierung deckt er ganz toll und deckt auch noch auf scharfen Kanten, die bei anderen Lacken immer sehr dünnschichtig austrocknen und daher durchscheinend bleiben.

So bekam der Rumpf einen leichten Schliff, dann einen Streifen Gelb im Bereich Wasserpaß. Nach dem Trocknen mit Klebeband abkleben und das Unterwasserschiff rot gespritzt. Warten. Nochmals Abkleben und das Überwasserschiff dunkelblau gespritzt. Warten. Den gesamten Rumpf einpacken und das Deck braun abgesetzt. Eineinhalb Wochen später war aus dem "weißen Entlein" eine stattliche Yacht geworden. Man gönnt sich ja sonst nichts...

Nun mußte getakelt werden. Das war dann schon weniger lustig. Denn die deutsche Übersetzung ist in diesem Punkt leicht schauderhaft: Es ist, nach diesem Text, kaum möglich zu verstehen, wie die Geschichte mit dem verchromten Ring an Deck getakelt und später justiert werden soll. Man sollte beim Takeln vielleicht besser den Text beiseite legen und sich in die Skizzen der Bauanleitung vertiefen. Diese Zeichnungen sind aussagekräftig und verständlich. Und mit ein wenig Logik klärt sich das Whouling dann von selbst.

Das Takeln des stehenden Gutes ist überhaupt kein Problem - toll zeichnerisch dargestellt.

Das laufende Gut ist, wie schon gesagt, bei diesem ominösen verchromten Ring eine Krux - besonders dessen Justage dann bei der Einstellung. Aber mit den Zeichnungen auf Seite 14, 15 und 17 kann man sich dann ein Bild machen. Das Positive - in der Praxis zeigte sich später, daß es fast völlig egal ist, wie der Ring eingestellt ist - es macht beim Segeln überhaupt nichts aus.

Sehr schön ist die ganze Belegung des Takelwerks an Deck gelöst: Alles ist sehr einfach und auch mit klammen Wurstfingern ohne Werkzeug zu lösen. Große, stabile Augen an Deck und Stahlschließen sind optisch sicherlich kein Leckerbissen, aber praktisch einfach "super-deluxe". So läßt sich das Modell mit wenigen Handgriffen auf-/abtakeln und ist dann wieder im Auto verstaut.

An Werkzeug wurde fast nichts benötigt: mit einem Messer/Cutter, einem Stück Schmirgel, Schraubendreher, Bohrer zwischen 1 und 3 mm und einer Schere kommt man aus.

Fertig ? Fertig ! 
Und raus zum See - Testfahrt.

Die Hinweise in der Bauanleitung zum Segeln sind so plausibel, daß auch der Segel-Neuling mit der Thematik klarkommen wird. Wir mußten den Mast geringfügig mehr nach achtern neigen, da das Modell gerne aus dem Wind drehte, es war lee-gierig. Das war mit wenigen Handgriffen erledigt; da alles über Klemmschieber eingestellt wird, muß dazu kein einziger Knoten neu gesetzt werden.

Das Modell bewegt sich dann auf allen Kursen "wie auf Schienen". Ob man vorm Wind segelt mit weit geöffneten Bäumen oder in Butterfly-Stellung oder ob man hart am Wind kreuzt, das Modell läuft mit "Ruder mittschiffs" geradeaus. Man braucht fast nie mit dem Ruder trimmen. Somit ist die VICTORIA ausgesprochen schnell, denn Trimmen mit dem Ruder kostet Geschwindigkeit.

In der Anleitung wird empfohlen, nur bis 45ø gegen den Wind zu kreuzen - man kann deutlich höher ran gehen!

Auffallend ist die gute Segelleistung auch noch bei recht starken Winden und hohem Seegang. Durch den Schiebedeckel ist das Modell sehr gut gegen einsteigendes Wasser geschützt. Wir haben Segeltörns bei Windstärke 6 gemacht - das Beinkleid flatterte uns um die Waden, das Modell lag fast flach in Böen. Das Wasser stand also bis mittig an Deck - VICTORIA hatte keine Probleme damit.

Bei solchem Wetter und Seegang erkennt man auch den Sinn der etwas dicken Nase des Rumpfes (es gibt schlankere, schärfer geschnittene Rümpfe). Das Modell schneidet in Wellen nicht unter. Das überkommende Wasser spritzt zur Seite und läuft ab, der Rumpf taucht aber nicht ein - was ja bekanntlich bis zur "Rolle vorwärts" bei Katamarane führt.

Sicherlich ist solch ein Einsatz auch nicht im Sinne des Erfinders gewesen. Der Bereich wird so von Windstärke 2 bis 4 empfehlenswert sein. Dann gibt es auch keine Probleme mit der eingesetzten RC-Technik. Bei solch ruppigen Fahrten mit Windstärken über 4 schafft das Segelverstellservo seinen Job nicht mehr. Man kann zwar die Segelstellung auch hart am Wind halten, aber nicht mehr dichtholen. Gegen den Segeldruck auf der Leine kommt das Servo mit dem verlängerten Arm nicht mehr an. Man muß also in der Halse (Wende klappt bei 5 und mehr auch kaum noch) ganz schnell dicht holen. Verpaßt man den Moment, in dem das Segel umschlägt, dann kann man nur noch vorm Wind mit schäumender Bugsee abrauschen. (Wer gerne bei solchem Wind knüppelt, sollte eine richtige Segelwinde einbauen!).

Fazit: Eindeutig Zweck erfüllt! Die VICTORIA war (trotz aufwendigerer Lackierung) flott gebaut. Der Baukasteninhalt war in allen Punkten prima und von guter Qualität. Das Rigg ist einfach und daher problemlos. Der Transport ist dank der guten Demontierbarkeit von Mast und Kiel auch neben dem Urlaubsgepäck möglich. Das Segeln selbst macht Freude - und gegen ein reinrassiges Regattaboot will man ja überhaupt nicht konkurrieren; Urlaubs-Segeln soll Spaß machen, Streß haben wir genügend daheim.

Das alles bietet VICTORIA - ohne wenn und aber.

Technische Daten:

Länge: 779 mm 
Breite: 155 mm 
Masthöhe: 1086 mm 
Segelfläche 2860 cm² 
Gewicht: 2.1 kg mit Ausrüstung.

 

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